Zukunftsstadt Dresden 2030: Projektleiter Norbert Rost im Interview
Norbert Rost leitet das Zukunftsstadt-Projekt, mit dem Dresden durch seine Bürgerinnen und Bürger nachhaltiger werden soll. Wieso macht das der Wirtschaftsinformatiker überhaupt?
Seit 1996 lebt Norbert Rost in Dresden, seit 2015 ist er am Projekt Zukunftsstadt beteiligt. Der Städtewettbewerb des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) sieht vor, eine „Vision“ zu entwerfen, wie eine Stadt wie Dresden im Jahr 2030 und darüber hinaus funktionieren könnte. Und die Frage zu beantworten: Wie verändert man die Stadt in Richtung dieser Vision? Gefordert sind hier nicht nur die Einwohner, sondern auch Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Verwaltung.
Das Projekt Zukunftsstadt befindet sich in Phase 2 von 3. Wie betrachtet der Leiter von Zukunftsstadt Dresden 2030 den gesamten Prozess?
Warum arbeitet eigentlich gerade ein Wirtschaftsinformatiker an einem solchen Zukunftsstadt-Prozess im Rathaus?
Norbert Rost: Mich interessiert diese Nachhaltigkeitsfrage schon sehr lange, weil ich das Gefühl habe, dass wir als Menschen – so wie wir heute unsere Wirtschaft und Gesellschaft organisieren – an die Wand fahren. Eine meiner Erkenntnisse war, dass man das große Ganze nur schwer beeinflussen kann. Daher lautete die Antwort: Konzentriere dich auf das Naheliegende! Und das ist das Nest, in dem du lebst: Dein Dorf, deine Stadt.
Dieser Gedanke ist nicht von mir. Der ist inspiriert von der Transistion Town-Bewegung, die gesagt hat: Arbeite mit positiven Visionen. Konzentriere dich auf deine Stadt und deine Nachbarschaft – also dort, wo du wirklich Einfluss hast. Versuche dein Umfeld so umzubauen, dass es nachhaltiger und widerstandsfähiger wird, sodass du für gefährliche globale Ereignisse eine stabile Basis hast. In erster Linie also durchaus für dich und deine nächsten. Wobei es sinnvoll ist, das Globale immer mitzudenken.
2015 wurde ein Leiter für das Zukunftsstadt-Projekt gesucht. Und ich dachte: „Wenn das jemand machen sollte, dann ich!“ Mir schien das Projekt die konsequente Fortsetzung von dem, was ich in den Jahren zuvor gemacht hatte. Beispielsweise hatten wir 2012 zwei Veranstaltungen mit dem Hygiene-Museum gemacht, die fragten: Wie funktioniert die Stadt ohne Öl? Man sieht: nachhaltige Zukunft der Stadt interessiert mich schon länger.
Wie ist der aktuelle Stand beim Zukunftsstadtprojekt?
Norbert Rost: Jetzt gerade sammeln wir Projektanträge von interessierten Dresdnerinnen und Dresdnern. Die Projekte sollte man innerhalb von drei Jahren umsetzen können, sollten Dresden nachhaltiger machen und einen Lerneffekt beinhalten. Wir wollen lernen: Was muss man überhaupt wirksam tun, um Städte nachhaltiger zu gestalten?
Vom Bundesforschungsministerium wurden alle Zukunftsstädte aufgefordert, Pläne zu schmieden, wie wir vom Heute zur Zukunftsstadt kommen. Planen beinhaltet auch die Frage: Was sind die ersten Schritte, die getan werden müssen, wenn ein Plan umgesetzt wird? Die Projekte, die wir aktuell sammeln, sind jene erste Schritte auf den Weg Richtung Zukunftsstadt.
Was heißt das für deine tägliche Arbeit?
Norbert Rost: Meine Baustelle ist gerade, die Bürger, die sich bis jetzt in den Prozess eingeklinkt haben, dabei zu helfen, ihre Projektanträge für ihre Idee fertigzustellen. Dafür haben wir entsprechende Dokumente entwickelt und organisieren Veranstaltungen, die beim Projekte-Planen hilfreich sind.
Derzeit arbeiten wir an zwei Arten von Workshops. Einer davon beschäftigt sich mit dem Thema Team: Wie arbeitet man im Team zusammen, wie findet man dort Rollen und was sind gute? In dem anderen Workshop möchten wir den bisherigen Stand der Projektanträge diskutieren. Auch um zu klären, welche Fragen offen sind und wie wir den Teilnehmern behilflich sein können, um die Anträge durchzuarbeiten. Ende März ist der Abgabetermin für die Projekt-Teams.
Kann man sich noch irgendwie beteiligen? Ist das überhaupt sinnvoll?
Auf jeden Fall. Interessierte sollten mal in unsere Projektdatenbank gucken und sich die im Prozess entstandenen Projekte anschauen. Vielleicht habt ihr Lust, an einem Projekt mitzuhelfen? Was auch immer ihr könnt oder lernen wollt, um so etwas voranzubringen – ich glaube für Menschen, die Dresden voranbringen wollen, findet sich ein Anknüpfungspunkt! Ihr könnt die Projektteams kontaktieren und aushandeln, was ihr beitragen könntet. Das heißt also: Steigt in ein bestehendes Projekt ein und helft, dieses weiterzuentwickeln.
Die andere Möglichkeit ist: Du hast eine Idee, was du mit einem Stapel Geld anstellen würdest, um Dresden zu einer nachhaltigen Zukunftsstadt zu machen? Dann darfst du wie alle anderen bis zum 31. März 2018 einen Projektantrag formulieren und den bei uns einreichen. Nur individuelle Hilfe können wir solchen Nachzüglern nicht mehr anbieten. Doch wenn ihr euch in der Lage fühlt, bestenfalls mit anderen zusammen solch ein Projekt zu konzipieren, den Antrag auszufüllen und ihn rechtzeitig entsprechend unser vorgegebenen Regularien einzureichen, könnte es sein, dass wir gemeinsam ab 2019 solch ein Projekt oder Reallabor durchführen, um Dresden in einen nachhaltigeren Ort zu verwandeln und den Weg dorthin zu beforschen.
Was waren bisher die größten Herausforderungen, die bei der Arbeit mit den Bürgern aufgekommen sind?
Norbert Rost: Die größte Herausforderung sah ich nicht auf der Ebene der Bürgerinnen und Bürger, sondern eher auf der Ebene der Verwaltung. Solch ein agiler Beteiligungsprozess ist ziemlich wesensfremd für die übliche Funktionsweise der Verwaltung. Die größte Herausforderung war es daher, diesen Bürgerbeteiligungsprozess mit den Besonderheiten der Verwaltungskultur zu verbinden. Daran arbeiten wir immer noch.
Ansonsten gilt: Bei einem Forschungsprojekt weiß man nie, wo man eigentlich rauskommt. Man kann zwar am Anfang eine Idee entwickeln und überlegen, welche Wege und wohin man geht, aber präzise weiß man es nicht, wo wirklich rauskommt. Und zwischendurch geschehen Dinge, auf die man reagieren muss.
Was wünschst du dir für das gesamte Projekt in den kommenden Wochen und Monaten?
Norbert Rost: Ich wünsche mir, dass die jetzt aktiven Teams richtig gute, für sie und die Stadt funktionale Projekte/Reallabore entwickeln, die umsetzbar sind – egal, ob im Zukunftsstadtprozess oder über andere Wege. Ich hoffe, dass die Teilnehmer am Ende sagen: „Wir haben etwas gelernt: Wenn wir demnächst Projekte entwickeln, mit der wir diese Stadt gestalten wollen, dann wissen wir, wie wir das machen müssen.“
Natürlich wünsche ich mir, dass Dresden in die dritte Phase des Städtewettbewerbs kommt. Als größte Stadt im Teilnehmerfeld haben wir eine große Chance, zu einer der acht Städte von jetzt 23 zu gehören, die das schaffen.
Und ich wünsche mir noch mehr Dresdner, die Lust haben, in diesen Prozess einzusteigen, die sich erst einmal den Teams anschließen und vielleicht auch ein wenig Lobbyarbeit leisten, bei der sie sagen: „So einen Zukunftsstadt-Prozess wollen wir noch einmal machen. Weil wir Ideen haben, die wir einbringen möchten…“
Vielen Dank für das Gespräch. Noch etwas, was du mitteilen möchtest? Einen letzten Satz?
Norbert Rost:
„Im Blick zurück entsteh‘n die Dinge
Im Blick nach vorn entsteht das Glück.“
(Zitat: Tocotronic, „In höchsten Höhen“)
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