120.000 Euro für die Tonne? Stefanie Nünchert vom Zukunftsstadt-Projekt „Zur Tonne“ im Interview
BAM! 120.000 Euro gibt’s für das Zukunftsstadt-Projekt „Zur Tonne“ – und das bereits dieses Jahr. Mit ihrer Idee möchte Stefanie Nünchert die allgegenwärtige Lebensmittelverschwendung verringern und Menschen zusammenbringen.
Wer Stefanie über ihre Visionen sprechen hört, spürt sofort ihre Begeisterung für ihr Projekt „Zur Tonne“. Zu Beginn soll es ein mobiles Pop-Up-Restaurant werden, in dem übrig gebliebene Lebensmittel der Dresdner Tafel zu einem Abendmenü verarbeitet werden. Jeder Gast zahlt nur so viel, wie er mag. Später ist ein fester Ort angedacht, an dem Menschen aus allen sozialen Schichten zusammenkommen.
Derzeit jobbt Stefanie Nünchert im Neustädter Café Tanteleuk, im Kino Thalia, im Zille und ist als Schneiderin tätig. Ehrenamtlich engagiert sie sich bei der Treberhilfe und der Dresdner Tafel. Dabei wird es wohl nicht bleiben, wenn „Zur Tonne“ die finanzielle Unterstützung der Stadt Dresden bekommt. Als Siegerin des Bürgerbeteiligungsprozesses auf 99funken.de, der im Rahmen von Zukunftsstadt Dresden 2030 initiiert wurde, erhält sie im Jahresverlauf 120.000 Euro. Eine Menge Geld. Was sie wohl damit macht? Und wie stellt sich die motivierte Dresdnerin das alles vor? Ich hab sie einfach gefragt…
Wer steckt eigentlich hinter dem Projekt „Zur Tonne“?
Stefanie Nünchert: Hinter dem Projekt stecke erst einmal ich. Generell bin ich das bis dato einzige Organisationsmitglied, die alles in der Hand hat und auf die Idee kam. Für gewisse Bereiche suchte ich mir natürlich Leute, die mich unterstützten. Unter anderem stammt das Logo von Jens Rosemann. Er ist Grafiker bei Kumpels & Friends. Robert Schmidt, ein langjähriger Freund von mir, fertigte den Flyer an und kümmert sich um die sozialen Netzwerke sowie die Facebook-Seite. Mit ihm und zwei weiteren Mitstreitern betreibe ich den Culture Club. Ein weiterer Freund macht gerade die Homepage.
Es waren noch viele weitere Menschen, die mir halfen. Zum Beispiel Stephan Raack vom Thalia-Kino und Jana Engelmann vom Programmkino Ost, die den im Rahmen des Zukunftsstadt-Prozesses entstandenen Trailer ausstrahlen ließen. Dann gab es ganz viele Leute aus meinem privaten Umfeld. Eltern, Familie, Freunde und Bekannte, die „Zur Tonne“ unterstützenswert fanden, teilten dies wiederum mit ihren Freunden.
Hinter „Zur Tonne“ stecken außerdem die Trägervereine Dresdner Tafel e.V. und die Treberhilfe Dresden e.V. Diese sind die zwei Bausteine, auf denen das Projekt steht. Einerseits aufgrund der Lebensmittel, andererseits spielt der Ansatz der sozialen Arbeit über die Inklusion von finanziell nicht so gut gestellten oder obdachlosen Menschen eine Rolle. Diese sollen an „Zur Tonne“ genauso teilhaben.
Das war jetzt mal die kurze Zusammenfassung. (lacht)
Du scheinst ja extrem gut vernetzt zu sein. Ist das der Grund, wieso du gegenüber den meisten anderen Projekten einen deutlichen Vorsprung bei 99funken.de erzielen konntest?
Stefanie Nünchert: Ich glaube, das ist ein Resultat mehrerer Einflüsse, die zum Tragen kamen. Nach außen sieht es meistens nicht so gut im Lebenslauf aus, wenn man viele Dinge gemacht, ausprobiert und zig Arbeitsstellen angegeben hat. Für solche Sachen dagegen hilft es am Ende sehr. Man hat seine Fühler da und dort, und in einer Stadt wie Dresden schließt sich irgendwann der Kreis und man hat eine gute Menge abgedeckt.
Nichtsdestotrotz ist meine Erkenntnis aus dem Voting-Prozess, dass eine 1:1-Kommunikation am besten funktioniert. Wenn man die Idee gestreut hat und es schafft, die erreichten Leute noch einmal abzuholen – sei es durch einen Flyer oder indem ich sie direkt auf der Straße oder bei der Tafel anspreche – , dann hat man schon eine Aufmerksamkeit. Um wirklich Leute dazu zu bewegen abzustimmen, braucht es schlicht mehr als das Anstupsen in den sozialen Medien, das Anschauen eines Trailers im Kino oder sonst irgendwas. Davon abgesehen war der Abstimmungsprozess alles andere als einfach.
Wenn du einem Außenstehenden das Projekt kurz erklären müsstest – wie würdest du es beschreiben?
Stefanie Nünchert: „Zur Tonne“ ist ein Restaurantkonzept. Bei diesem soll mit Lebensmitteln gekocht werden, die normalerweise weggeschmissen worden wären. Diese erhalte ich über die Dresdner Tafel. Den Kunden des Vereins wird nichts vorenthalten, sondern es werden nur die Produkte verwendet, die am Ende des Tages übrig bleiben. Mit diesen wird ein Menü gekocht, eine Speisekarte soll es nicht geben.
Mein Wunsch ist es, dass so viele unterschiedliche Menschen wie möglich zusammenkommen, um in der Stadt sozusagen ein Miteinander herzustellen – ganz unabhängig von finanziellen und kulturellen Hintergründen findet man sich zum Essen zusammen. Gemeinsames Bindeglied ist das Bewusstsein darüber, dass einem Lebensmittel wichtig sind und man auch etwas gegen die eigene Verschwendung, Überproduktion und schlechte Qualität tun möchte. Bei „Zur Tonne“ kann man vielleicht etwas lernen – so die Grundidee.
„Zur Tonne“ ist ausbaufähig. Vorstellen kann ich mir später Lebensmittelkochkurse sowie Veranstaltungen an Schulen und Kindergärten. Selbst könnte man zu einem Ausbildungsbetrieb werden. Mit diesem Projekt möchte ich einen Beitrag für diese Stadt leisten.
Dank der Stadt Dresden gibt’s außerhalb vom Projekt Zukunftsstadt 120.000 Euro, da ihr Gewinner des Bürgerbeteiligungsprozesses auf 99funken.de seid. Was willst du mit Geld anstellen und wann geht’s los?
Stefanie Nünchert: Bisher erhielt ich nur die mündliche Zusage, dass ich die 120.000 Euro erhalte. Wie die ausgezahlt werden und ob ich die gesamte Summe bekomme, das weiß ich nicht. Es existiert noch nicht einmal eine Förderrichtlinie, die wohl erst ausgearbeitet wird.
Aber angenommen, ich erhalte das Geld. Dann geht’s darum, den Betrieb ins Laufen zu bekommen. Das heißt, es müssen rechtliche Grundlagen geschaffen werden. Auch das Finanzamt wird involviert, da ein „Pay-what-you-want“-Prinzip vorgesehen ist. Und natürlich muss es Menschen geben, die sich um „Zur Tonne“ kümmern. Sie sollen bezahlt werden. Das gesamte Projekt möchte ich auf sichere juristische Beine stellen. Wichtig ist es, geeignete Örtlichkeiten zu suchen, die „Zur Tonne“ im ersten Jahr beherbergen.
Dann sollte man nicht vergessen, dass das Geld für drei Jahre gedacht ist. Auf den Monat heruntergerechnet ist das nicht mehr so viel. Dabei sollen ja auch Mieten gezahlt werden. Ziel ist es auf jeden Fall, dass sich „Zur Tonne“ langfristig selbst trägt. Wir haben die Zeit um herauszufinden, ob das wirklich geht.
Ich hoffe, dass es im Oktober 2018 losgehen kann. Spätestens aber Ende Dezember, schließlich soll es auf jeden Fall 2018 in Angriff genommen werden.
Brauchst du Unterstützung? Und wie kann man dich erreichen?
Stefanie Nünchert: Bis jetzt war ich immer alleine. Hin und wieder hatte ich mir schon gewünscht, es gäbe noch eine zweite oder dritte Person, die mir helfen könnte. Tatsächlich ist das dann auch passiert über diesen Umstand und die Tafel. Es hat sich jemand gemeldet, der mich auch unterstützen wird. Zwei Freundinnen möchten mir künftig ebenfalls in bestimmten Bereichen unter die Arme greifen.
Aber nach wie vor ist es der Plan, Leute für diese Idee zu gewinnen und die Bock darauf haben, sich einzubringen. Wir haben mittlerweile eine eigene Facebook-Seite, über die ihr mich erreichen könnt. Oder klassisch via Email an stefanie.nuenchert@mailbox.org. Derzeit befindet sich alles noch im Aufbau, eine Webseite kommt bald.
Vielen Dank für das Gespräch.
Unterstützen könnt das Projekt in der ersten Juniwoche am Görlitzer Platz in der Dresdner Neustadt. Bestellt vom 4. Juni 2018 bis zum 10. Juni 2018 im vinBISTRO | studioBAR einen Negroni. Für jeden gekauften Cocktail wandern 1,50 Euro an „Zur Tonne“. Saufen für einen guten Zweck? Verlockend.